Natürliche Attraktivität: So wirken sich „saubere“ Rezepturen auf die Entwicklung von neuen Produkten aus

Front view of a stack of rusks on vintage floral plate with a dollop of peach & cherry jam on top. Jam jar with spoon in the background. Rustic, vintage setting.
Moderne Verbraucher wollen den Inhalt der von ihnen gekauften Lebensmittel und Getränke genau kennen. Sie möchten, dass die Zutatenliste möglichst übersichtlich ist. Was drin ist, sollte natürlich gewonnen, erneuerbar und auf nachhaltige Weise hergestellt sein.
All dies bedeutet, dass Hersteller unter zunehmendem Druck stehen. Sie müssen gewährleisten, dass die für ihre Produkte verwendeten Inhaltsstoffe leicht erkannt und verstanden werden können. Außerdem sollten die entsprechenden Herstellungsprozesse so einfach wie möglich sein. Es geht darum, die Zutatenliste zu verschlanken und Inhaltsstoffe mit komplizierten, chemisch klingenden Namen zu vermeiden. Oft besteht die Aufgabe darin, sich auf natürliche Zutaten zurückzubesinnen und Inhaltsstoffe zu verwenden, die die Kunden verstehen und mögen.
„Verbraucher möchten schlankere Zutatenlisten und mehr bekannte Zutaten. Sie wollen weitgehend naturbelassene und ,saubere‘ Produkte“, so Trevor Nichols, Food Application Scientist bei Brenntag Food & Nutrition North America. „Künstliche Konservierungsstoffe werden definitiv immer mehr gemieden. Der Trend geht zu den Alternativen aus natürlichen Quellen. Es geht darum, funktionelle Zutaten zu finden, die die Anforderungen des Clean Labelling erfüllen können und von den Verbrauchern akzeptiert werden“, fügt er hinzu.
Vor diesem Hintergrund läuft die Entwicklung neuer Produkte im Bereich des Clean Labelling auf Hochtouren. Die globalen Daten von Innova Market Insights zeigen eine konstante Wachstumsrate von 5,7 % bei neuen Produkten mit „Clean Label“-Kennzeichnung (ohne Zusatzstoffe/Konservierungsstoffe, naturbelassen, bio, ohne Gentechnik) zwischen 2014 und 2019. Das Wachstum war von 2018 bis 2019 besonders stark: +8 %.

„Clean Label“-Lösungen auf dem Vormarsch


Inhaltsstoffe, die die Anforderungen des Clean Labelling erfüllen, sind frei von künstlichen Zusatzstoffen, frisch, aus kontrollierter Herkunft oder weitgehend naturbelassen (z. B. funktionale einheimische Stabilisatoren vs. modifizierte Stabilisatoren). Sie enthalten natürlich gewonnene Konservierungsstoffe, um Inhaltsstoffe wie Natriumbenzoat oder Kaliumsorbat zu ersetzen. Zum Beispiel können kultiviertes Dextrin und Niacin als natürliche Konservierungsstoffe für Lebensmittel verwendet werden. Lösungen auf Essigbasis bieten antimikrobielle Eigenschaften. Rosmarin und Kamille können vor Oxidierung schützen und die Lebensmittelqualität aufrechterhalten.
Andere „Clean Label“-konforme Inhaltsstoffe enthalten pflanzenbasierte natürlich gewonnene Farbstoffe und färbende Lebensmittel, die als Alternativen zu künstlichen Farbzusätzen (z. B. Allurarot AC) oder zu nicht-veganen Optionen (wie dem aus Insekten gewonnenen Farbstoff Karmin) dienen.
Enzymekönnen im Allgemeinen ebenfalls als „Clean Label“-konform betrachtet werden. Sie müssen oft nicht ausdrücklich in der Zutatenliste aufgeführt werden, wenn sie als Verarbeitungshilfsstoffe in der Funktion eines Emulgator-Ersatzes dienen.
An African American woman wearing an apron, working in the commercial kitchen of a bakery. She is standing behind a rack of baked goodies. She is a successful minority small business owner.

Große Vielfalt in der Anwendung

Der „Clean Label“-Trend ist nicht mehr auf spezifische Anwendungen beschränkt. Es finden überall Reformulierungen und die Entwicklung neuer Produkte statt.
Marly Sumayong, Senior Food Application Scientist bei Brenntag Food & Nutrition (F&N) North America, weist darauf hin, dass natürliche Inhaltsstoffe in Milchprodukten seit 8-10 Jahren und in Babynahrung schon seit Jahrzehnten wichtig sind, sie sich nun aber auch im gesamten Lebensmittelsektor immer mehr durchsetzen. „In letzter Zeit konnten wir beobachten, dass der Trend auch auf andere Bereiche wie Getränke, Backwaren, Süßwaren, Fertiggerichte und Snacks übergreift. Früher wurde man noch gefragt, ob man lieber einen natürlichen oder einen künstlichen Farb- oder Aromastoff wollte. Inzwischen wird die Natürlichkeit bei den Anforderungen an neue Produkte fast schon als selbstverständlich vorausgesetzt“, fügt sie hinzu.
Für Terry Wagner, Senior Product Development Scientist und Lab Manager bei Brenntag F&N North America, ist der Getränkesektor mit höheren Gewinnspannen im Moment ein besonders lukrativer Bereich für die Anwendungsarbeit mit „Clean Label“-konformen Inhaltsstoffen. Natürlich gewonnene Farbstoffe haben bei ganzheitlicheren, gesünderen Produktkonzepten großen Erfolg. „Zuckerfreie und zuckerreduzierte Getränke sind im Moment besonders beliebt, also gibt es in diesem Bereich viel zu tun. Es gab definitiv einen Trend in Richtung der Einbeziehung von ,Clean Label‘-konformen Inhaltsstoffen – unter anderem durch die Verwendung von Farben natürlichen Ursprungs, ,Clean Label‘-freundlicherer Hydrokolloide und natürlich gewonnener Konservierungsstoffe“, erläutert er.
Auch im Bereich der Fleischersatzprodukte gibt es im Moment für die Anwendungsarbeit bezüglich des Clean Labelling einiges zu tun. Bisher enthielten viele dieser Produkte Inhaltsstoffe, die vermutlich nicht zur Gesinnung ihrer Zielgruppe passten. Inzwischen ist ein starker Trend zur Neuformulierung dieser veganen Fleischersatzprodukte wie Würstchen, Salami oder Burgerbratlinge zu verzeichnen. Immer häufiger werden diese aus texturierten Proteinen aus Pflanzen wie Erbsen, Soja, Ackerbohnen und Reis hergestellt.

Bereit für die Herausforderung?

Bei der Entscheidung für eine vollständige „Clean Label“-konforme Reformulierung müssen allerdings viele technische Herausforderungen berücksichtigt werden. Dies betrifft unter anderem die Frage, wie die sensorischen Eigenschaften des Originalprodukts aufrechterhalten werden können, was Geschmack, Textur und Haltbarkeit angeht. Gleichzeitig muss die Lösung typischerweise anwendungsspezifisch sein, wobei der Prozess angepasst wird, um die natürliche Stabilität der Inhaltsstoffe aufrechtzuerhalten.
Marly nennt einige der Herausforderungen, die der Umstieg von künstlichen zu natürlich gewonnenen Farbstoffen mit sich bringt. Sowohl der pH-Wert als auch die Wasseraktivität müssen berücksichtigt werden, ebenso wie der gewünschte Farbton des Endprodukts. „Beim Arbeiten mit künstlichen Farbstoffen kann man eine Farbe in vielen verschiedenen Anwendungen verwenden. Bei natürlichen Farbstoffen muss der Inhaltsstoff jedoch nach anwendungsspezifischen Kriterien ausgewählt werden. Das kommt daher, dass der pH-Wert die Farbfunktion beeinflussen kann, indem er den Farbton verändert oder ein Ausflocken verursacht“, erklärt sie.
„Die Anreicherung mit Vitaminen und Mineralien kann mit bestimmten Farbpigmenten interagieren und die Farbe verändern oder Farbemulsionen destabilisieren. Andere Inhaltsstoffe wie Aromen und ätherische Öle können die Farbe mit der Zeit verfälschen. Lichtexposition in durchsichtigen Verpackungen kann sich ebenfalls auf die Haltbarkeit der natürlichen Farbstoffe auswirken“, erklärt sie. Jetzt sind innovative Inhaltsstoffentwicklung und Anwendungsarbeit gefragt, um die optimale Funktionalität der Inhaltsstoffe zu erreichen – auch für die anspruchsvollsten „Clean Label“-konformen Anwendungen. Auch ein sinnvolles Erwartungsmanagement ist unerlässlich, denn die Lebensmittelsicherheit steht immer an erster Stelle.
Aber trotz der Herausforderungen bei der Anwendung überwiegen die Vorteile bei Weitem über die Risiken. Schließlich ist eine „Clean Label“-Kennzeichnung ein wirksames Verkaufsargument für den Kunden. „Früher war eine ,Clean Label‘-Kennzeichnung eine nette Option. Heutzutage ist sie für die meisten Marken eine unabdingbare Voraussetzung. Im Zuge dieses Wandels haben es die natürlichen Lebensmittel vom Status einer exklusiven und innovativen Nische geschafft, zum Mainstream zu werden“, so Trevor.
Strawberry marmalade

Innovationen bei den Inhaltsstoffen auf Hochtouren

Die Entwicklungsarbeit für „Clean Label“-konforme Anwendungen läuft bei Brenntag Food & Nutrition bei einem wachsenden Vertriebsportfolio des Unternehmens auf Hochtouren. Einer der jüngsten Neuzugänge in Nordamerika ist die neueste Erweiterung der FruitMax® Produktlinie von Chr. Hansen. Das neue Produkt namens Hansen sweet potato™ ist eine natürliche, vegane Alternative zu Karmin. Der Farbstoff in Karmin ist zwar ein Naturprodukt, hat aber an Beliebtheit eingebüßt, da er aus Insekten gewonnen wird. Einen Ersatz dafür zu finden, erweist sich allerdings als Herausforderung.
„Karmin ist ein sehr bedeutsamer roter Farbstoff aufgrund seiner intensiven Färbung und seiner Beständigkeit gegenüber Hitze, Änderungen des pH-Werts und Licht. Aber aufgrund der wachsenden Nachfrage an veganen Produkten ist es unerlässlich, vegane leuchtendrote Farbstoffe als Alternative zu Karmin zu entwickeln,“ erklärt Marly. Die neue Lösung von Chr. Hansen schließt diese Bedarfslücke im „Clean Label“-Bereich und ist sogar für anspruchsvolle Backanwendungen mit hohem pH-Wert geeignet.
Pektin ist ein weiterer Inhaltsstoff, der gleichzeitig „Clean Label“-konform und pflanzenbasiert ist. Die Anwendungen reichen weit über Fruchtzubereitungen und Joghurt hinaus. Das Team von Brenntag Food & Nutrition North America arbeitet beispielsweise mit dem strategischen Pektinzulieferer Silvateam zusammen, um die tierische Gelatine in bestimmten Fruchtgummis zu ersetzen. „Die Abwendung von der tierischen Gelatine ist eine technische Herausforderung, da sich Gelatine anders kaut als andere Inhaltsstoffe. Aber wir arbeiten an einigen neuen Optionen, die diese Lücke schließen, und ein veganes und ,Clean Label‘-konformes Produkt mit ähnlichen Eigenschaften wie gelatinehaltige Fruchtgummis bieten“, sagt Terry.

Ein goldenes Zeitalter für innovative Anwendungen

Ein weiterer Entwicklungsbereich in diesem Anwendungszentrum bezieht sich auf den Ersatz von fructosereichem Maissirup in Müsliriegel-Anwendungen. Das Anwendungszentrum, in dem Terry arbeitet, verwendet Oligofructose. Dabei handelt es sich um eine flüssige Version der probiotischen FOS (Fructooligosaccharide), um eine Viskosität zu erreichen, die der von Maissirup stark ähnelt, und diesen zu ersetzen. „Wir verwenden Oligofructose in verschiedenen Anwendungen, einschließlich als süßes Bindemittel für einen veganen Müsliriegel. Wir wollen nicht nur den fructosereichen Maissirup ersetzen, sondern dem Produkt mit dem neuen Inhaltsstoff einen nutzbringenden Anspruch geben“, erklärt er.
Die Nachfrage nach „Clean Label“-konformen Produkten wird von einem immer stärkeren Kundenwunsch nach einfacheren, gesünderen Produkten vorangetrieben. Bei der strategischen Verwendung von Inhaltsstoffen, die einen zusätzlichen Vorteil wie „rein pflanzlich“ oder „leicht verdaulich“ bieten, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um künftig sehr gefragte, gesunde Lebensmittel zu entwickeln, die nur auf ihre Entdeckung warten.